Das Niedrigzinsniveau macht den Lebensversicherern zu schaffen, das ist keine große Neuigkeit, sondern wir haben bereits mehrfach darüber berichtet. Angesichts des Kurses der Europäischen Zentralbank (EZB) geht der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) nun in die Offensive und verlangt, dass der Staat Erleichterungen beim Aufbau der Zinszusatzreserve gewährt.. Auf Dauer gefährde die bisherige Regelung die Vorsorgekultur und -struktur in Deutschland, heißt es seitens des GdV. Mit dieser Forderung ist der Versicherungsverband nicht alleine, sondern wird von der Deutschen Aktuarvereinigung unterstützt, die auf ihrer Hauptversammlung im April dieses Jahres ebenfalls eine Änderung empfohlen hat.
Dies betrifft eine Anordnung der deutschen Finanzaufsicht Bafin, die den Versicherern 2011 auferlegt hatte, zusätzliche Puffer anzulegen, um auch im Niedrigzinsumfeld ihren Garantieverpflichtungen gerecht werden zu können. Damit einher geht, dass, je niedriger das Zinsniveau ist, desto mehr müssen die Assekuranzen zur Seite legen. Dieses Geld stammt aus laufenden Erträgen oder dem Verkauf derzeit hochrentierender Papiere. In beiden Fällen bedeutet dies für die Inhaber von Versicherungen, dass deren Überschussbeteiligung sinkt. Angesichts der ohnehin rückläufigen Gesamtverzinsung der Lebensversicherer ist dies keine sympathische Situation, weder für die Anbieter noch für die Versicherungsnehmer.
Generell abgelehnt wird die Zinszusatzreserve indes nicht, auch die Versicherer wissen nur zu gut, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die ersten Anbieter auf diese Reserven zugreifen müssen. Das Analysehaus Morgen & Morgen hat ermittelt, dass die Branche aktuell im Schnitt mit ihren Anlagen noch eine Rendite von 3,15 Prozent erwirtschaftet, während diesem Wert eine branchenweite durchschnittliche Garantieverpflichtung von 2,9 Prozent gegenübersteht. In dem Maße, in dem alte, noch hoch verzinste Anlagen auslaufen und durch neue, weniger rentable ersetzt werden müssen (Bundesanleihen werfen bei einer Laufzeit von zehn Jahren derzeit lediglich rund 0,6 Prozent im Jahr ab), wird die durchschnittliche Rendite der Assekuranzen weiter sinken und die Deckung der Garantieverpflichtungen zunehmend erschweren. In besondere Maße trifft dies natürlich die Anbieter, die besonders viele Altverträge in ihrem Portfolio haben, die teilweise noch mit Garantiezinsen von 4,0 Prozent ausgestattet sind.
In der Zinszusatzreserve wurden über die vergangenen vier Jahre insgesamt 21 Mrd. Euro angesammelt, was eine durchaus erhebliche Summe ist, selbst in der Versicherungsbranche. Je tiefer das Zinsniveau fällt, umso mehr müssen die Versicherer allerdings hier einzahlen. Dafür werden teilweise zwangsweise hoch rentierende Anlagen verkauft werden müssen, was wiederum die durchschnittliche Rendite der Versicherer bei ihren Kapitalanlagen senkt – ein Teufelskreis. Die Regulierer müssen entsprechend aufpassen, dass die grundsätzlich sinnvolle Medizin, die den Versicherern verschrieben wurde, nicht durch die hohe Dosierung tödlich wird.
Auch der Wechsel in andere, potentiell ertragreichere Anlageformen wird um die neuen Eigenkapitalvorschriften bzw. Anlageregulierungen um Solvency II, die ab 2016 in Kraft treten, nicht in wesentlichem Umfang vereinfacht. Zwar steigt die Flexibilität der Versicherer, wie sie ihre Risikobudgets verteilen können, doch sind die Konzepte dieser Risiken nach wie vor auf Zeiten ausgelegt, in denen sich auch durch konservativere Anlageprodukte noch eine attraktive Rendite erzielen ließ. Statt dem verstärkten Investment in alternativen Anlagen, setzen die Versicherer daher auf eine Erleichterung auf der Passivseite der Bilanz, indem die Garantieverpflichtungen heruntergefahren werden.
Dass die durchschnittliche Garantiebelastung für die Versicherer durch den Abschluss neuer Verträge, die lediglich einen Garantiezins von 1,25 Prozent aufweisen erheblich sinkt, ist zudem unwahrscheinlich, da nur wenige Anleger bereit sind, zu einem Garantiezins zu investieren, der noch unter der angestrebten Inflationsrate der EZB von unter aber nahe bei 2 Prozent liegt. Vor diesem Hintergrund sind zuletzt neue Produkte auf den Markt gekommen, die keine Garantieverzinsung mehr versprechen, dafür jedoch den Versicherern eine höhere Flexibilität bei der Anlageentscheidung einräumen und dadurch potenziell eine höhere Rendite ermöglichen. Alternative Konzepte sehen eine höhere Beteiligung der Inhaber solcher Produkte an der erwirtschafteten Gesamtverzinsung der Assekuranzen vor.