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Das Thema Bewertungsreserven steht schon seit weit über einem Jahr auf der Agenda. Zunächst einmal, was sind Bewertungsreserven überhaupt? Angesichts des momentanen Niedrigzinsniveaus sind alte Anleihen, die einen hohen Zinscoupon aufweisen, im Kurs gestiegen. Lebensversicherungen, die einen großen Teil ihrer Geldanlagen in Form von Anleihen tätigen, haben entsprechend Buchgewinne erzielt. Das Gesetz besagte, dass diese Buchgewinne hälftig an die Inhaber fälliger Lebensversicherungen auszuzahlen sind. Das Problem bei dieser Regelung ist, dass hierzu die Versicherungen die hochverzinsten Anleihen verkaufen müssen, um die Kursgewinne tatsächlich zu realisieren und diese dann anteilig an die Kunden mit fälligen Verträgen auszuzahlen. Folglich bleibt für die Inhaber von Lebensversicherungen, die noch nicht fällig sind, sondern erst in einigen Jahren auslaufen, nur noch die weniger gut verzinsten Anleihen zurück, was die Rendite dieser Versicherungen schmälert.
Der erste Versuch eine Neuregelung
Soweit das Problem. Der Bundesregierung ist diese Problematik natürlich nicht verborgen geblieben. Schon zu Zeiten von schwarz-gelb gab es daher einen Versuch, diese Regelung dahingehend zu modifizieren, dass die Bewertungsreserven nicht mehr in der bisherigen Höhe an die Versicherungsnehmer mit fälligen Verträgen ausgeschüttet werden dürfen. Durch Kommunikationspannen und Wahlkampftaktik wurde dies dann aber sehr schnell wieder fallen gelassen, da es als Angriff auf die Versicherungen zu Gunsten der Versicherungslobby gewertet wurde. Die SPD konnte sich damit vor dem Wahlkampf als Partei der kleinen Sparer profilieren. Doch das Problem war nicht gelöst, sondern blieb bestehen, so dass die SPD, jetzt in der Regierungsverantwortung, einer Reduzierung der Beteiligung an den Bewertungsreserven auf einmal keine Kritik mehr entgegensetzt. Vor zwei Tagen passierte eine Gesetzesvorlage den Bundesrat, die im Prinzip die Vorschläge von vor einem Jahr plus einiger Erweiterungen umfasst.
Neue Regelungen im Überblick
Konkret bedeutet dies, dass neben der Reduzierung der Beteiligung an den Bewertungsreserven auch der Garantiezins für neue Versicherungen ab dem 01. Januar 2015 von derzeit 1,75% um 50 Basispunkte auf 1,25% absinken wird. Angesichts einer angepeilten Zielinflationsrate von knapp 2% wird deutlich, dass so die Menschen bestimmt nicht dazu angehalten werden, für ihr Alter vorzusorgen. Bewertungsreserven dürfen nur noch ausgeschüttet werden, wenn dies die Garantiezusagen gegenüber anderen Versicherungsnehmern nicht gefährdet. Der zweite Versuch startete im März dieses Jahres. Zunächst hieß es noch, dass schon bis Ende März das Gesetz stehen sollte, doch rechtliche Bedenken sorgten dann dafür, dass erst jetzt ein fertiges Gesetz dabei herausgekommen ist. In der Zwischenzeit haben viele Versicherte, deren Versicherungen unmittelbar vor der Fälligkeit standen, diese Gnadenfrist genutzt und ihre Verträge gekündigt, um noch von den alten gesetzlichen Regelungen zu profitieren. Ganz konkret kann die neue Regelung nämlich für die Inhaber von Lebensversicherungen mit geringeren Auszahlungen in Höhe mehrerer tausend Euro verbunden sein.
Keine belastbare Datenbasis
Und ganz genau darin liegt auch das Problem begründet. Erst einmal greift der Staat hier mehr oder weniger rückwirkend in bestehende Verträge ein und ändert diese nachträglich zu Ungunsten der Versicherungsnehmer. Rechtsstaatlich kann man ein solches Vorgehen als zumindest zweifelhaft bezeichnen. Im Bundestag wurde dieser Gesetzesvorschlag rund 25 Minuten diskutiert. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach davon, dass „nur 7 Millionen“ Versicherungsnehmer schlechter gestellt würden, während der Rest durch die neuen Regelungen profitiere. Die Linkspartei hingegen rechnete vor, dass 62 Mio. Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden. Wesentlich bedenklicher ist allerdings, dass dieses Gesetz zwar als theoretisch notwendig erachtet wird, aber keine Daten zur Verfügung stehen, die dies zweifelsfrei empirisch belegen. So ist nicht klar, wie hoch denn die Renditen der Versicherungswirtschaft überhaupt sind. Wenn sie auch unter bisheriger Ausschüttungspraxis in der Lage wären, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, wäre eine gesetzliche Neuregelung unnötig. Da die Nettoverzinsung der 10 größten deutschen Versicherer, das heißt Erträge abzüglich Kosten, 2012 sogar um 40 Basispunkte auf 4,3% gestiegen ist, ist es nicht sicher, dass eine Neuregelung notwendig ist. Ebenso ist unbekannt, in welcher Höhe überhaupt Bewertungsversicherungen ausgeschüttet wurden.
Nun ist es zu spät zur Kündigung
Für Versicherungsnehmer ist es nun allerdings zu spät, um noch zu reagieren – zumindest nach bisherigem Kenntnisstand. Der Bund der Versicherten hat kritisiert, dass das Gesetz so schnell durch die Gremien gepeitscht wurde, dass gar keine Möglichkeit für Verbände und Kunden bestand, genau zu prüfen, in welchen Fällen sich eine Kündigung der Lebensversicherung gelohnt hätte. Vermutlich ist das auch durchaus so beabsichtigt gewesen, um größere Mittelabflüsse bei den Versicherern vor Toresschluss zu verhindern. Die Kritik der Verbraucherschützer hat vor diesem Hintergrund auch nicht gefruchtet. Die der Versicherungslobby hingegen schon. War ursprünglich noch vorgesehen, dass die Versicherer genau offen legen müssen, in welcher Höhe Abschlussprovisionen an die Versicherungsvertreter bzw. Makler fließen, wurde diese Transparenzinitiative nach Kritik der Lobby ganz schnell wieder aus dem Gesetzesentwurf gestrichen. Die Regelungen betreffs der Bewertungsreserven hat die Versicherungswirtschaft dagegen klar begrüßt.