Der große Krach um die Lebensversicherungen geistert durch alle Medien. Wir möchten daher diesen Anlass nutzen, um einmal zu erklären, worum es bei der Debatte um die sogenannten Bewertungsreserven eigentlich genau geht.
Zunächst einmal, was sind eigentlich Bewertungsreserven? Diese Frage ist nicht ganz pauschal zu beantworten, daher fokussieren wir uns an dieser Stelle auf die Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren, um die es in der aktuellen Debatte auch vornehmlich geht. Nehmen wir an, eine Lebensversicherung hat vor 7 Jahren 10-jährige Bundesanleihen mit einem Zinscoupon von 4,5% gekauft. Nun ist in den letzten Jahren das Zinsniveau dank der lockeren Geldpolitik der EZB sowie die Verwerfungen um die Europäische Staatsschuldenkrise radikal in den Keller gegangen, eine vergleichbare Bundesanleihe wirft heute nur noch rund 1,5% im Jahr ab.
Entsprechend sind die alten, hochverzinsten Anleihen im Kurs drastisch gestiegen. Wenn die Anleihe zu einem Kurs von 100% erworben wurde und nun der aktuelle Kurs der Anleihe bei 115% steht, entsteht für die Versicherung, die diese Anleihe in ihrem Portfolio hat, eine Bewertungsreserve.
Nach der bisherigen Praxis war es so, dass die Inhaber von fälligen Versicherungen an diesen Bewertungsreserven hälftig beteiligt werden mussten. Dies sorgte in der Vergangenheit dafür, dass in Zeiten niedriger Zinsen die Inhaber fälliger Versicherungen mit den Bewertungsreserven für das ansonsten niedrige und der Rendite damit abträgliche Zinsniveau „kompensiert“ wurden.
Doch heute ist daraus ein Problem erwachsen. Die Anleihen, die jetzt über dem Nennwert notieren, müssten von der Versicherung verkauft werden, damit aus dem Buchgewinn ein tatsächlich realisierter Gewinn werden kann, der dann an die Kunden ausgezahlt wird. Doch was dann? Die Inhaber von Versicherungsverträgen, die in Zukunft fällig werden, erwarten ebenfalls eine akzeptable Rendite. nach dem Verkauf der alten Anleihen, um die Kursgewinne zu realisieren, muss das Geld nun wieder angelegt werden. Doch die neuen Anleihen bringen eben nur 1,5%.
Mit anderen Worten, das Problem liegt darin, dass die alten Anleihen zwar momentan mehr wert sind, aber die Versicherung sie eigentlich nicht verkaufen möchte, sondern lieber weiterhin den hohen Coupon kassieren möchten, damit auf diesem Wege alle Kunden von dem Wertpapier profitieren und nicht nur diejenigen, deren vertrag gerade fällig geworden ist. Auch lassen sich mit 1,5% nur schwierig die Verpflichtungen der Versicherungen aus dem Garantiezins erfüllen.
Aus diesem Grunde hatte die Bundesregierung beschlossen, per Gesetz dafür zu sorgen, dass die Bewertungsreserven nicht mehr in dem bisherigen Umfang auch an die Inhaber fälliger Versicherungen ausgeschüttet werden müssen. Davon würden entsprechend die anderen Versicherungsnehmer profitieren, während die Inhaber jetzt fälliger Policen mit Abschlägen zu rechnen hätten.
Durch einige Kommunikationsmissgeschicke, kam dies nun so herüber dass die Versicherungen sich zu Lasten ihrer Kunden die Taschen vollstopfen wollte, während die Bundesregierung sich zum Erfüllungsgehilfen der Versicherungslobby macht. Rot-Grün hat daher auch – wie nicht anders zu erwarten – im Bundesrat die gesetzlichen Änderungen abgeblockt. Die Versicherungen sind daher weiterhin gezwungen, zu Lasten ihrer anderen Versicherungsnehmer hochverzinsliche Anleihen zu verkaufen, um die jetzt fälligen Versicherungen auszuzahlen.
Auch die Bafin sieht diese Praxis äußerst kritisch und warnt vor langfristigen Folgen. Kurzfristig ist diese Situation zwar kein Problem, doch wenn das Zinsniveau längerfristig auf dem aktuellen niedrigen Niveau verbleibe, könne das durchaus zu einer großen Belastung werden. Sowohl für Versicherungen als auch für die Versicherungsnehmer.
Es ist daher zu hoffen, dass sich die politisch Verantwortlichen jenseits von Populismus und Finanzhai-Versicherungsgeier-Argumenten ihrer Verantwortung bewusst werden und eine Lösung für dieses Problem erarbeiten. Und dies dann auch richtig kommunizieren, so dass nachvollzogen werden kann, dass es hier nicht um die Bereicherung von „Bankern“ oder der Versicherungen geht, sondern letztlich um die Stabilität des Lebensversicherungssystems sowie die Rendite der zukünftig fälligen Versicherungen.