Das Thema Bewertungsreserven stand bei uns bereits schon vor gut einem Jahr auf der Agenda. Im Kern ging es darum, dass durch das momentane Niedrigzinsniveau Lebensversicherer durch das momentane Recht gezwungen sind, vorübergehende Kursgewinne bei festverzinslichen Wertpapieren an die Inhaber fälliger Lebensversicherungen auszuschütten. Dazu müssen diese alten, hochverzinslichen Anleihen verkauft werden, um die Reserven zu realisieren.
Neue Anleihen, die die Versicherungen dann kaufen, weisen heute einen signifikant niedrigeren Zinssatz auf, was einen Nachteil der Inhaber später fälliger Lebensversicherungen bedeutet. Schon im letzten Jahr hatte die damals noch schwarz-gelbe Bundesregierung der Versuch unternommen, dieses Problem der Versicherungswirtschaft zu beheben, wurde jedoch durch Kommunikationspannen und die bevorstehende Bundestagwahl sowie den Widerstand der SPD im Bundesrat davon abgebracht.
Das Problem jedoch blieb bestehen, was ganz offensichtlich auch die SPD-Politiker trotz ihres populistischen Widerstandes gegen das Gesetz im letzten Jahr bemerkt hatten. Im März dieses Jahres wurde daher ein neuer Versuch gestartet, dem Problem der Bewertungsreserven beizukommen. Diesmal steht im Gesetz allerdings nicht nur das Thema Bewertungsreserven an, sondern auch noch diverse andres, beispielsweise die Offenlegung der Provisionen an die Versicherungsvermittler beim Neuabschluss von Lebensversicherungen (was den Vertretern, Gewerkschaften und Versicherungen naturgemäß überhaupt nicht passt).
Auch soll der Garantiezins bei Lebensversicherungen ab dem kommenden Jahr von derzeit 1,75% auf 1,25% sinken. Angesichts der Tatsache, dass die Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank (EZB) bei knapp 2% liegt, bedeutet dies für Sparer, die ihre Altersvorsorge in Lebensversicherungen anlegen, jedes Jahr Verlust, wenn ihr Anbieter nicht höhere Erträge als diese Mindestverzinsung erwirtschaftet. So motiviert man keine Menschen, Geld für ihr Alter zurückzulegen…
Doch auch die Bewertungsreserven stehen auf der Agenda. Im Prinzip handelt es sich um den gleichen Vorschlag wie zuvor – und die gleiche Begründung. Versicherungen sollen künftig nicht mehr die Bewertungsreserven in der bisherigen Höhe an die Inhaber fälliger Lebensversicherungen auszahlen, sondern diese Zahlungen deutlich reduzieren, um so die Inhaber zukünftig fälliger Verträge nicht zu benachteiligen. Im März sollte es Schlag auf Schlag gehen. Mitte März hieß es, dass der Stichtag noch in jedem Monat sein sollte.
Zum damaligen Zeitpunkt lag die Höhe der kumulierten Bewertungsreserven bei rund 60 Mrd. Euro, nachdem der Höchstwert im Dezember 2013 mit 90 Mrd.- Euro überschritten worden war. Rechtliche Bedenken und der Widerstand des Verbraucherschutzes machten dies jedoch nicht möglich, das Thema verschwand wieder in der Versenkung – zumindest für einige Zeit. Denn das Bundeskabinett hat die neue Gesetzesvorlage mittlerweile gebilligt, obwohl die Minister nur eine Woche Zeit hatten, sie zu prüfen.
Am vergangenen Dienstag wurde der Gesetzesentwurf dann erstmals im Bundestag diskutiert. Man nahm sich für die Abwägung des Fürs und Widers immerhin 25 Minuten Zeit, obwohl es durchaus einige Kontroversen gibt. Wolfgang Schäuble (CDU), der Bundesfinanzminister, etwa sagte, dass durch das neue Gesetz „nur“ 7 Mio. Versicherungsnehmer benachteiligt würden, während der Rest profitiere. Die Linkspartei hingegen geht von 62 Mio. Benachteiligten aus. Zweifelhaft ist, dass die Bundesregierung diese Gesetzesvorlage offensichtlich gebilligt hat, ohne dass dieser belastbares Zahlenmaterial zugrunde liegen würde.
Einerseits ist es schon bedenklich, wenn jetzt durch ein Gesetz Versicherungsnehmer, die vor 20 Jahren im Vertrauen auf die Verbindlichkeit des Rechtes eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, um teils tausende Euro ihrer Versicheurngen gebracht werden. Noch bedenklicher ist es, wenn dies ohne explizite Grundlage geschieht. Grundsätzlich ist klar, worum es geht, das hatten wir auch bereits im vergangenen Jahr in unserem Beitrag deutlich gemacht. Versicherungen können es sich nicht dauerhaft leisten, bei niedrigem Zinsniveau ihre Reserven auszuschütten, weil dadurch die Inhaber später fälliger Versicherungen einen Nachteil erleiden.
Doch mittlerweile ist klar, dass es die Bundesregierung nicht für nötig befunden hat, zu recherchieren, wie hoch denn die Renditen der Versicherungen sind, die die Versicherer in den letzten zehn Jahren realisieren konnten. Auch ist offen, in welcher Höhe bislang Bewertungsreserven an Inhaber fälliger Lebensversicherungen ausgeschüttet wurden.
Daher kritisiert auch die Linkspartei, dass die Datenbasis viel zu dünn ist, um daraus die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes abzuleiten. Die Bundesregierung werde damit zur Erfüllungsgehilfin der Versicherungslobby. Dieser Vorwurf kann nicht so einfach von der Hand gewiesen werden, schließlich ist bekannt, dass die zehn größten Versicherer Deutschlands im Jahr 2012 eine Nettoverzinsung von 4,3 % erwirtschaften konnten, das sind sogar noch 0,4 Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Diese Größe gibt an, wie hoch die Rendite der Versicherer nach Abzug ihrer Kosten ist.
Während die Versicherungsbranche diesen Teil des Gesetzes, der sich um die Bewertungsreserven dreht, erwartungsgemäß begrüßen, sind andere Teile des Paketes so gar nicht nach ihrem Geschmack, dazu zählt die bereits weiter vorne diskutierte Offenlegung der Provisionszahlungen an die Versicherungsvermittler. Am Montag dürfen noch 15 Fachverbände und Wissenschaftler im Bundestag ihre Ansichten und Kritiken vortragen, doch ist es eher zweifelhaft, dass infolgedessen die Gesetzesvorlage noch einmal überarbeitet wird.
Die Bundesregierung möchte die Vorlage anscheinend noch vor der Sommerpause in ein Gesetz gießen, so dass der Bundesrat noch am 11. Juli sein Grünes Licht erteilen könnte. Zumindest stehen derzeit keine Wahlen vor der Tür, so dass auch größerer Widerstand der Verbraucherschützer und Medien nicht weiter ins Gewicht fallen dürfte. Bis zur nächsten Wahl werden die meisten Wähler dieses Gesetz wieder vergessen haben.